They shoot Horses, don’t they?

Tanzmarathonperformative Eventskulptur und freie theatrale Bearbeitung des Great-Depression-Romanklassikers von Horace McCoy (1935)

die produktion wurde anlässlich des spielzeitauftakts 2019/20 in drei kapiteln, in drei formaten und auf drei verschiedenen bühnen in zürich aufgeführt. indem verschiedene aspekte des romans von horace mccoy bespielt wurden, hat sich diese geschichte der ambivalenzen zwischen hoffnung und verzweiflung zu einem spektakel der erschöpfung und überbietung verdichtet – ein trojanisches pferd inklusive.

kapitel i – tanzmarathon (theaterspektakel, 22.8.2019)

auf der neuen zentralbühne des theaterspektakels wird getanzt. gemeinsam mit dem neuen ensemble des neumarkt tanzen künstler*innen und profitänzer*innen, laien und selbstdarsteller*innen um die aufmerksamkeit des publikums und des master of ceremony mike bonnano. den takt und rhythmus gibt janiv oron an. wer bis zum schluss durchhält, schafft es ins ensemble von they shoot horses, don’t they?.

kapitel ii – performative eventskulptur (zürich hb, 6.9.–10.9.2019)

die gewinner*innen aus kapitel i sind nun gefangen im erbarmungslosen takt eines laufbands, ausgestellt in einem kubus in der wannerhalle des zürcher hb. eine skulpturale-performative arbeit über die unerfüllten versprechen sozialer medien und über ihre kontroverse rolle bei der zunahme neuer formen von startum, sponsorship, (rassistischem) populismus und dem ende der privatsphäre. echte anstrengung und erschöpfung inbegriffen. der kubus wurde von 6. bis 10. september täglich von morgens bis spät abends mit live performances, tableaux vivants, live filmdrehs und videoinstallationen bespielt. am 9. september fand im rahmen der performativen eventskulptur eine medien performance «aus ruag wird ruag green» statt. 

kapitel iii – freie bühnenbearbeitung (saal)

«the world is burning and we are dancing on the abyss», sagt der master of ceremony mike bonanno. in kapitel iii von they shoot horses, don’t they?, einer freien bühnenbearbeitung des romans von horace mccoy, stehen die öffentlichen tanzmarathons im amerika der 1930er-jahre im zentrum, in denen buchstäblich bis zum umfallen getanzt wurde. der amerikanische aktivist und filmemacher bonanno (the yes men) schlägt in co-regie mit dem choreografen und tänzer jeremy nedd die brücke zwischen diesem stoff und der gegenwart unserer kapitalistischen unterhaltungsindustrie und ihrer ökonomischen und algorithmischen auswüchse. tag und nacht, woche um woche gilt für tanzenden: keep on moving. hier findet ein wettbewerb der ausdauer und der beliebtheit statt. showtime heisst lächeln, bezirzen, entertainen, durchhalten. wer länger als 15 sekunden stehen bleibt, ist raus. während die teilnehmer*innen des tanzmarathons versuchen, über die runden zu kommen, macht der master of ceremony aus allem und jedem eine show. hauptsache superlative: «people are the ultimate spectacle!» das ziel ist ein volles haus und «happy customers». die tanzenden wie zirkuspferde in der manege. wer über körperliche grenzen geht, kann sich – vielleicht – die gunst des publikums sichern. damit gewinnt der mc das interesse von sponsoren wie auch einer crowd, die sich an der erniedrigung der ausgestellten tanzmarathon-teilnehmer*innen ergötzen. der ausweg? nicht nur pferden gibt man den gnadenschuss.

dauer: 70 minuten

«leben heisst sich in bewegung halten, nicht umfallen, mehr nicht. es ist eine grässliche sinnleere im raum. und mit jeder neuen runde, die getanzt wird und die bonanno dicht an uns vorbeischmiert, fühlt man sich mehr und mehr in geiselhaft. man ist gefangen in der zeit, dem raum der behauptung – und in den eigenen erwartungen. das ist theater? das ist auch theater.» (nzz vom 20.9.2019)

«wir zuschauer werden, wie im pollack-film, als konsumierende voyeure rund um die tanzarena verteilt (bühne: laura knüsel); und der amerikanische kommunikationsguerillero mike bonanno aus der aktivistengruppe the yes men hat sich mit einem kanariengelben anzug, cowboyhut und rollschuhen ausstaffiert, um uns als rasender conférencier tüchtig einzuheizen. ‹who is weak? who is likeable?›, fragt er nach unserer einschätzung. ‹who dies first?›.» (tages-anzeiger vom 19.9.2019)

«das theater neumarkt in zürich darf sich ins guinessbuch der rekorde eintragen lassen: seine eröffnungsproduktion der neuen saison, der tanzmarathon ‹they shoot horses, don’t they?›, dauert 653 stunden.» (sda-keystone vom 19.9.2019)

«dieses buch wurde während der great depression, der wirtschaftskrise, in den usa geschrieben. es war eine zeit, in der das kapitalistische system die erwartungen der menschen nicht mehr erfüllte. gleichzeitig war der faschismus am erstarken. heute scheint sich dieser moment zu wiederholen, es passieren ähnliche dinge. nur dass dies durch die sozialen medien und neue kommunikationsformen verstärkt wird. das macht es so interessant, dieses stück wieder auf die bühne zu bringen.» (mike bonanno im interview mit dem srf am 20.9.2019)

«this is neumarkt at its absolute best, doing what it’s done so well for so long, with a very welcome fresh breeze and the right amount of chutzpah to take on late capitalism in all its guises. the show is a must for everyone willing to be shaken out of the complacency we’re pushed into by a system that’s entertaining us to death.» (english theatre in zurich vom 24.10.2019)

«aufbruch auf zürichs bühnen» (kulturplatz vom 18.9.2019)

bild: philip frowein

premiere (saal): 18.09.2019

ort: neumarkt saal, hb, theaterspektakel

Mit

alireza bayram, anna hofmann, jeremy nedd, leon pfannenmüller, jakob leo stark, sascha ö. soydan

Produktionsteam

Konzept, co-regie & master of ceremony: Mike Bonanno

Choreographie & Co-Regie: Jeremy Nedd

Dramaturgie & Konzept: Hayat Erdoğan

Bühne: Laura Knüsel

Kostüme: Daniela Zorrozua

Musik: Janiv Oron

Video Art: Matt O’Hare

Regieassistenz: Kenza Nessaf

Real Winner: Florian Denk

Mike Bonanno

Jeremy Nedd

Hayat Erdoğan

Laura Knüsel

Daniela Zorrozua

Janiv Oron

Matt O’Hare

Kenza Nessaf

Florian Denk

Alireza Bayram

Anna Hofmann

Leon Pfannenmüller

Jakob Leo Stark

Sascha Özlem Soydan