Parlament der Dinge, Tiere, Pflanzen und Algorithmen

Theater als Agilitypark

Magazin zur ersten Ausgabe (2019) von «Parlament der Dinge, Tiere, Pflanzen und Algorithmen: Theater als Taubenschlag»:

Logbuch:

Wie wir zur
arten-übergreifenden
Company wurden

Was bisher geschah: 
Nach der ersten Ausgabe von «Parlament der Dinge, Tiere, Pflanzen und Algorithmen» im Herbst 2019 am Neumarkt Zürich haben wir uns und den Tauben im Estrich von Jonas' Wohnung in Basel ein arten-übergreifendes Atelier gebaut. Dort haben wir die Tauben zwei Wochen drin gelassen, damit sie sich an den neuen Ort gewöhnen. Dann haben wir die Klappe geöffnet - und weg waren sie. Etwas in der Kommunikation hat nicht geklappt, denken wir, aber wir denken auch, das lässt sich ändern. Wir wollen Kommunikation mit Tauben üben, non-verbale Kommunikation, die die Tauben schon gut können, wir aber noch nicht. Dafür brauchen wir ein Übungsfeld, wir denken an einen Agility-Park, bei dem Hund und Mensch in Beziehung treten. Aber eben nicht für Hunde sondern für Tauben und Menschen. Darum machen wir jetzt folgendes: das Neumarkt ist wieder dabei und das freut uns wahnsinnig und so bauen wir in der Chorgasse einen Tauben-Agilitypark, in dem Mensch und Taube ein responsables Miteinander einüben können. 
Mit Hilfe des Agilityparks und fünf neuen Tauben probieren wir nochmals zur artenübergreifenden Company zu werden. Company von cum panis, with bread, wie Donna Haraway schreibt, messmates at table are companions. Die Tauben, Jonas und ich teilen unser gemeinsam verdientes Brot. Und los geht es!

 

Tag 1: 
Die erste Ausgabe fand mit Stadttauben statt. Wir denken, der Umzug nach Basel war zu stressig für sie. Darum brauchen wir jetzt Tauben, die sich Ortswechsel gewohnt sind. Wir wollen mit ihnen auf Gastspiele. Wir fragen unseren Komplizen und Taubenzüchter Hans Ganz Bitsch um Rat. Er empfiehlt uns fünf griechische Wuta. Sie sind robust und Ortswechsel gewohnt. Hans Ganz Bitsch ist mit ihnen Meisterschaften geflogen, in ganz Europa umhergereist. Unsere Tauben waren Europameister, erzählt er uns, yeah, denken wir und sind stolz. Auf was eigentlich? Egal, es ist aber auch so, dass Hans Gans Bitsch die fünf nicht mehr gebrauchen kann, sie sind zu alt und er hat zu viele Männchen. Er sagt, ich muss sie zwicken. Zwicken ist ein Euphemismus für Tauben umbringen. Und da kommen wir ins Spiel, wir denken so ein Angebot kommt uns gelegen, die Tauben können in einen Kasten fliegen, das müssen sie können wenn wir mit ihnen auf Gastspiel wollen. Einen Sack Futter pro Taube, will Hans Gans Bitsch, insgesamt sind das 80.- , eine schenkt er uns dazu, einen Dropper und was der Dropper so tut, dazu später mal noch mehr. Also holen wir diese fünf ausgemusterten Männchen in Rorbas ab. Einer Taube fehlt ein Stück Fuss, bemerke ich, aber Hans Gans Bitsch zeigt mir seine Hand. Ihm fehlt auch ein Finger, das sei nicht so schlimm. Und so bringen wir sie mit Postauto und Zug in unseren Taubenagilitypark an der Chorgasse. Die fünf sind noch etwas scheu aber wir denken, ihnen gefällt die Chorgasse und so beginnen wir mit Putzen aber auch mit Choreographien üben, sie gucken uns zu und scheissen haarscharf am Kopf vorbei. Jonas meint, sie scheissen nur wenn die Spannung loslässt und so gebe ich mir Mühe anständig zu spielen und die Spannung zu halten.

Tag 2: 
Was der Taubenzüchter gestern eher beiläufig beim Abschied erwähnt hat: nur zwei der fünf Tauben sind Europameister, das heisst folgendes, nur wer Europameister ist, kann in einen Kasten fliegen. In einen Kasten fliegen zu können ist für unsere Company wichtig, sehr wichtig, überlebenswichtig. Nur wer in einen Kasten fliegen kann ist gastspieltauglich. Stellt euch vor, wir gehen auf Gastspiel und die Tauben wollen im Südpol, in der Gessnerallee, im Helmhaus oder am Theater Basel bleiben. Das wäre unser Ruin, ende, aus, es war schön mit euch. Wir würden die Tauben nie mehr aus dem Südpol raus bekommen, 10 Jahre würden die dort bleiben und das Südpol dürfte jede zukünftige Vorstellung mit Tauben spielen. Ich will gar nicht daran denken, also: Futter gibt es nur für den, der in den Kasten fliegt, bastà. Was aber leider gar nicht so einfach ist. Ach, ach, ach, es bricht uns das Herz, jetzt nur nicht inkonsequent werden, hart bleiben, durchziehen, wegschauen. Die, die es noch nicht können schauen denen, die es können zu, das ist gut und zum Glück gibt es Badewannen, die hat sich Anne Linke ausgedacht und Cristiano Remo vom Neumarkt hat sie geschweisst. Etwas hungrig entdecken die Tauben das Baden und freuen sich am Wasser. Es sind die besten und schönsten Taubenbadewannen ever.

Tag 4: 
In 'When Species meet' schreibt Donna Haraway, dass nur 10% all der Zellen die mich ausmachen genuin menschlich sind, die anderen gehören der lustigen Kopflaus, dem ätzenden Pilz der es sich irgendwo bequem gemacht hat oder der Tomate über die sich Scharen von gefrässigen Darmbakterien hermachen. Ausgehend von diesem Bild haben wir unsere Company zusammengecastet, fast 90% Tauben und ein wenig Menschen. Aber jetzt mal im Ernst, ihr Tauben, ihr seid viele und wir, wir sind ganz schön gestresst. Würde es euch etwas ausmachen etwas mehr für das Ganze zu denken? Das wäre so nice. Es ist noch so viel zu tun bis zur Eröffnung am Samstag. 
Auf dem Bild versuche ich gelassen zu wirken, das ist aber überhaupt nicht so, denn vier der Tauben sind im Kasten am Fressen, sie sind auf dem Bild nicht zu sehen aber die Eine, die zu sehen ist, will und will das Loch nicht finden.

Tag 5: 
Taubenfüsse, samtig und warm auf der Hand, stampf, hin und her, pick, pick, warum sind die so nervös? Und der Kopf erst, vor und zurück, einmal dreh, fast rundherum, mir wird fast schlecht. Wie fühlt es sich wohl an in so einem Taubenkopf? Und wie sieht sie mich? Wie langsam, träge und behäbig die doch ist, denkt Taube bestimmt. Eine drückt mit ihren Flügeln eine Andere zur Seite, damit sie mehr Futter bekommt und berührt meinen Unterarm, Federn auf der Haut, das ist richtig schön. Wenn sie aus meiner Hand picken, tun sie das sorgfältig, denke ich, eine ist übermütig, packt meinen Finger, zieht daran. Hey, Taube, der gehört zu mir, vorsichtig ziehe ich meinen Finger zurück und probiere mit ihr zu Spielen, es klappt noch nicht ganz. 
Das Schönste heute: alle waren im Flugkasten. Futter auf die Hand, Hand zum Loch, Hand fast in den Kasten rein, der Kopf der Taube geht der Hand nach, immer tiefer ins Loch und plopp, Taube ist im Kasten drin. Wie habe ich mich gefreut. 

Tag 6: 
Diesen Samstag ist Eröffnung. Wie soll ich mich bitte konzentrieren, wenn neben mir die Scheisse niederprasselt? Wer soll das alles putzen? Ja mit dem schlägt sich herum, wer zur artenübergreifenden Companie werden will. Kommunikation mit dem Nichtmenschlichen ist ein hartes Pflaster, hätte Andy Hug (der verstorbene Weltmeister im Kickboxen) hier gesagt, das wissen wir nicht erst seit Corona. Artenübergreifend kommunizieren, das kann nicht jede*r, jemensch, jeding, da ist schon viel schief gelaufen, viel Missverständnis, Enttäuschung und Verletzung, das Unterfangen muss sachte angegangen werden, da muss viel verlernt und neu gelernt werden. Ein Übungsfeld muss her, ein Agiltiypark. Ta-daaaa!!! Herzlich Willkommen bei Theater als Agilitypark. 
Kommt vorbei und ihr werdet sehen was wir den lieben langen Tag so tun in unserem gelb orangenen Agilityparkkäfig. Reserviert schnell ein Ticket, es hat nur wenig Platz. Einlass ab 15 Uhr jeweils zur vollen Stunde. We miss and love you deeply gurr gurr forever and ever und grüssen aus der Taubenscheisse die immer mehr wird, hilfeee!

Tag 7: 
Daniele Muscionicos schreibt in der NZZ: Dieses Haus @Neumarkt Zürich ist auch ein Taubenschlag. Die Zürcher Stadttaube hiess Iris und war nach der Feministin Iris von Roten benannt. Vor einem Jahr war sie die Diva in einem der ungewöhnlichsten Theaterräume Zürichs, in einem veritablen Taubenschlag, den Seraina Dür und Jonas Gillmann an der Chorgasse 5 installiert hatten. Wer ihn versäumte, hat jetzt Gelegenheit, am Theater Neumarkt die Neuauflage ihres «Parlaments der Dinge, Tiere, Pflanzen und Algorithmen» kennenzulernen. Und das lohnt. Denn es ist ein Urlaub für den Kopf, in kleiner Runde anhand der Literaturen von Lynn Margulis, Annie Sprinkle oder Donna Haraway über die Beziehung zu Nicht-Menschlichem und über eine andere Weltsicht als die anthropozentrische nachzudenken. Zum Beispiel über den Blick von Iris auf uns, jener geflügelten beflügelnden Zürcher Bürgerin. Diesen September wird sie möglicherweise Alice heissen und schwarz gefiedert sein.
Et voilà Daniele Muscionico, wir stellen vor:

Tag 8: 
Toi, toi, toi und herzlich Willkommen im Ensemble liebe Tauben! Das Stand auf einer Serviette, darin eingewickelt ein Stück Brot, das Geschenk zur Eröffnung von Theater als Agilitypark von den Theater Neumarkt Direktorinnen. Freude, freude, flatter, flatter. Ich bin mir sicher, die braune Taube in der Mitte, die ehemalige Europameisterin, die so gerne im Scheinwerfer Licht steht, wird bis morgen den weichen Teil weggepickt haben und uns mit einem stylischen Brotkragen begrüssen, der letzte Schrei in der Taubenszene! 
Was für eine schön-freudig-aufwühlende Eröffnung gestern, danke an alle die da waren und mit uns nach neuen Kommunikationsskills für unseren Agilitypark gesucht haben. Wir machen jetzt mal ganz kurz Pause!

Tag 11: 
Herzliche Einladung zur ersten 'Pigeon Reading Group', heute, 20 Uhr an der Chorgasse 5. Wir lesen 'Der symbiotische Planet' von der wunderbaren Lynn Margulis, die schreibt, dass Evolution einst vor Milliarden Jahren und noch immer nicht im Krieg aller gegen aller, sondern durch Kooperation und Symbiose entsteht. Es waren Bakterien, die zusammen Symbiogenese machten und so zu ersten Zellen wurden. Zu denen des Löwenzahns, der Taube, des Kefirs, den wir während des Lesens trinken werden, und zu unseren. Das ist nicht schlecht aufregend, dazu braucht es keine Vorbereitung, kein Vorwissen aber es gibt nur wenig Plätze, also schnell reservieren wer dabei sein will. Wir freuen uns auf Lynn Margulis und auf euch.

Tag 14: 
Langsam meine ich zu verstehen, die Tauben, Jonas und ich müssen einiges verlernen, damit das zusammen was wird. Wir wollten Tauben, die im Unterschied zu den Stadttauben letztes Jahr schon was können, damit sie uns, wenn wir ende Oktober aus der Chorgasse weg müssen, nicht wieder davon fliegen und ja, diese Tauben können jetzt in einen Flugkasten fliegen, das heisst, wir sind jetzt reisetauglich. In den Flugkasten fliegen tun die Tauben ganz beflissen, sie sitzen auf ihrer Lieblingsstange, fliegen den Kasten an, hüpfen ins Loch, egal ob Futter drin ist oder nicht, hüpfen wieder raus und zurück zur Stange und das den ganzen Tag lang im Loop. Wir haben ihnen ein schönes Taubenbad gemacht aber sie baden nicht, wir wissen aber, dass Tauben Baden lieben. Wir denken, die Sporttauben haben nicht gelernt zu baden, sie können lange ruhig auf der Stange sitzen, auf Befehl wahnsinnig schnell vom Himmel in den Kasten fliegen und richtig gut für Futter das tun was Mensch von ihnen verlangt. Wenn Futter im Kasten ist, geht auch das Gedränge los, wer kann mit den Flügeln die Andere zur Seite drängen um selbst am meisten zu bekommen, das macht der Flugkasten. Wollen wir das? Wir wollen mit ihnen Reisen und darum ist der Kasten wichtig aber wir wollen auch einen responsablen Umgang in unserer Companie, wir wollen in eine Beziehung einüben die nicht nur auf Konditionierung und Dominanz beruht. Ich meinerseits kann ja auch richtig gut tun was von mir verlangt wird um geliebt zu werden. Und jetzt? Die Tauben bringen mit, dass sie Sporttauben sind, dass sie auf Kommando fliegen und zurück in den Kasten hüpfen. Wir bringen mit, dass wir unterhalten können. Also je verlernen wir jetzt. Und ja liebe Tauben, in was wollen wir zusammen einüben?

Tag 15: 
Für sie verlernen, dass es nur im Flugkasten Futter gibt, für mich verlernen, die Kontrolle über die Situation zu behalten, das stand heute auf dem Probeplan. Dabei wurden die rosa Gummihandschuhe zu unserem Spielzeug und das ist so passiert: Eigentlich da um Taubenscheisse wegzuputzen, behielt ich sie heute etwas länger an, ich wollte wissen wie es ist, wenn Taubenschnäbel durch Gummi auf Haut picken. Und daraus wurde sowas wie ein gemeinsames Spiel, sie zupften mit ihren Schnäbeln am Handschuh, eine packte den Gummi, schaute mich kurz an, nur ganz kurz und lässt ihn dann los, ein leichtes fitzen auf der Haut, hey! will ich rufen und freue mich.

Tag 17: 
Essen! Zu Tisch! Wir teilen zum Zmittag Porridge und üben Companions zu werden, entspannt ist das nie und nimmer aber ganz schön aufwühlend, wir spielen, wer bringt den Porridge am schnellsten runter. Ich gebe mir grösste Mühe aber sie sind mir meilenweit voraus.

Tag 21: 
An Gummihandschuhe ziehen bis der Gummi reisst, Taubenfüssen in Slimy rein und gucken ob das Fäden zieht, Jonas Rücken als Sitzstange brauchen, blinde Kuh dazu, den Futterbecher über den Kopf, meine Hände zum Karrussell, Jonas Finger in den Schnabel und daran ziehen bis er ihn lachend wegzieht, unsere Füsse als Hindernis-Parcours und meine Hosentasche als Ziel der Schatzsuche, ich hatte ein paar Körner drin vergessen. Wenn das nicht klassisches Tauben-Agility ist.
In diesem Sinne lesen wir in der zweiten Ausgabe der Pigeon Reading Group die Trainingsgeschichten aus dem Manifest für Gefährten von Donna Haraway, um 20 Uhr an der Chorgasse 5.

Tag 22: 
Und noch mehr Tauben-Agility: Von der Sitzstange aufs Klettergerüst, dann auf Jonas Rücken, balancieren ohne abzurutschen, das Möwlein tut das am liebsten. Das Möwlein, die Weisse, ist eine in die Jahre gekommene Hochzeitstaube, die ausgemustert wurde, uns wurde erzählt, dass das Hochzeitstauben Business seit Corona nicht mehr floriert. Das ist unser Glück, das Möwlein ist ein richtiges Agility-Ass. Auch begeistert bei der Sache ist die Grau-Schwarze, wir nennen sie Katze, sie schnurrt sobald sie Futter sieht. Schnurrt sie mal einfach so und passiert das zufällig wenn sie auf meinem Rücken sitzt, wirkt das besser als jedes Hot-stone-ayurweda-wellness-irgendwas. Ich weiss es genau, Grau-Schwarz gibt die Nachbarskatze, die uns regelmässig in der Chorgasse besucht. 
Morgen um 19 Uhr sind wir im Rahmen von m2act zu Gast im Südpol Luzern.

Tag 24: 
Wir waren gestern auf Gastspiel, im Südpol Luzern für m2act. Unser Erstes als arten-übergreifende Company. Das bedeutet: schlaflose Nächte, viel Organisation für wenn alles doch ganz anders kommt als gedacht, was wenn die Tauben nicht in die Kiste fliegen, was wenn wir nie wieder aus dem Südpol rauskommen? 9:45 in der Chorgasse, wir rascheln mit dem Futter, die Tauben fliegen fröhlich in die Kiste. Wir bauen Flugstange, Tisch, Klettergerüst ab und gucken, dass die Scheissespur auf den Matten beim Transport schön bleibt. Dann die Tauben in den Laderaum, nein, sicher nicht, die kommen vorne auf unseren Schoss und los geht es. 13 Uhr im Südpol, Scheisse ausrichten, damit es aussieht als hätten sie da soeben hingeschissen. 16 Uhr, die Tauben fliegen ins Rick, mist, wie mit der Taube spielen die in 6 Metern Höhe sitzt und ab und zu einen Schiss von sich gibt. 18:30 kurz vor Vorstellungsbeginn kommen sie auf die Flugstange, wie das jetzt? Und sie spielen mit. 20 Uhr alle fliegen fröhlich in die Kiste, die Show ist jetzt vorbei, auf unserem Schoss geht es über die A4 zurück ans Neumarkt. Wir können auf Gastspiel, liebe Tauben und liebe Menschen das ist eine grosse Freude!

Tag 25: 
Ich rufe den Taubenzüchter Hans Ganz Bitsch in Rorbas an und frage, ob wir morgen mit den Tauben aufs Feld können. Aufs Feld geht man mit Tauben um sie dort fliegen zu lassen. Aufs Feld? Jetzt? Im Herbst, Winter? Nein, das würde ich nicht. Die Zugvögel sind weg. Die Greifvögel haben Hunger, denen fliegen so die gebratenen Tauben ins Maul, meint Hans Ganz Bitsch. Wartet bis der Frühling kommt, geht mit ihnen unterdessen in Hallen. Ich denke, er denkt an hohe Decken, an grosse Theater, da wollen die Tauben hin, da wollen sie fliegen, das freut die Tauben und die grossen Theater freut das bestimmt auch. Und wir machen weiter mit unserem Indoor Tauben-Agility Training und freuen uns auf den Frühling, das Feld und die Zugvögel.

Tag 28: 
Die Tauben schlafen, die Séance mit Vreni Spiesser beginnt, Vreni sagt, wir verbinden uns mit den Tauben im Schlaf, warum schlaft ihr nicht bei den Tauben, fragen uns Besucher*innen, zu recht, also schlafen wir nach der Séance bei den Tauben, sie schlafen in ihrer Lieblingssitzordnung, vorzugsweise auf einem Bein, manchmal erwacht eine, putzt sich das Gefieder, öffnet ein Auge, niesst, schliessen das Andere, döst weg, ich mache es wie die Taube, zähle die heiteren Stunden nur oder wie ging das nochmals oder ich mache es wie die Taube, denke an das Gefühl als ich als Kind im Traum durch das Haus meiner Eltern geflogen bin, ich weiss wie sich Fliegen im Körper anfühlt, ich wusste es bevor ich es jemals tat, woher kommt das Wissen, am Morgen dann eher unsanft von kratzigen Taubenfüssen auf Kopf und Gesicht geweckt.

Tag 31: 
Theodor W. Adorno schrieb mal: "Mein liebster Bertolt, wie es dir wohl gehen mag in diesen aufwühlenden Zeiten? (Angeschrieben wir hier Bertolt Brecht.) Ich bin gerade etwas verzweifelt, muss ich ehrlich gestehen und weiss nicht mehr wo mir der Kopf steht geschweige denn die Füsse. Was ich aber weiss ist, dass Kultur ein Palast aus Taubenscheisse ist oder soll ich an dieser Stelle Hundescheisse schreiben? Was findest du passender lieber Bertolt?" Taubenscheisse ist hier viel passender, lieber Theodor, ich sehe das nämlich genauso wie du. Darum gehören zu unserer Kompagnie auch 2000 Kompostwürmer die die ganze Scheisse verarbeiten. Und jetzt zu Donna Haraway deren Manifest für Gefährten wir morgen an der dritten Ausgabe der Pigeon Reading Group lesen. Haraway macht Zungenküsse mit ihrer Hündin Cayenne und ich tu Zungenküssen mit der Taube, die Katze heisst und mit der ausgemusterten Hochzeitstaube. Und die können das voll gut, im ernst. Bei der Übertragung des Speichels werden nicht nur Viren, Bakterien etc. ausgetauscht, sondern auch genetische Informationen. Weitergabe von Erbinformationen ohne Sex. "Das ist doch Symbiogenese wie ich mir das immer vorgestellt habe" würde Lynn Margulis an der Stelle sagen, den Film "Symbiotic Earth" über diese wunderbare Wissenschaftlerin zeigen wir am kommenden Mittwoch.
Und morgen lesen wir von Hunden, die Liebe machen und erzählen tun wir vom Liebe machen mit Tauben, so jetzt ist aber Schluss, wir lieben euch, ihr Würmer, Tauben und Leut, wir sind nie allein gewesen aber das wisst ihr bestimmt schon lange.

Tag 34: 
Dernière in der Chorgasse, danke Theater Neumarkt für die Zeit bei euch, schön war es, eine Besucherin sagt, danke für die Nähe zu den Tauben, eure Tauben sehen ganz anders aus als Stadttauben, ich denke, das liegt auch am guten Licht das der Martin gehängt hat und am guten Futter natürlich und am Theaterraum auch, die Tauben haben etwa drei Babys fast um den Verstand gebracht und ihre Herzen zum hüpfen und rasen, einer wollte bei und mit den Tauben meditieren, eine die Taube mit nach Hause nehmen und wiederum einer meinte, wir sollen mit den Tauben Zungenküssen, im Unterschied zu kleinen Katzen und Hunden, meinte er, die von ihren Eltern geleckt und darum später gerne gestreichelt werden, mögen das die Tauben nicht, denen wird von klein auf ein Schnabel in den Rachen gesteckt, daher die Idee mit dem Zungenküssen, ja, vielleicht hat er recht, sie wollen wirklich nicht gestreichelt werden die Tauben. Und sind wir jetzt die arten-übergreifende Company? Der Wildhüter der Stadt Zürich sagt er möge Tauben nicht, er erzählt für alle Haustiere (unsere Tauben sind Zuchttauben und somit Haustiere) gibt es Haltebestimmungen, nur für Tauben nicht, die mag wirklich keiner, denke ich, ausser ein paar Züchter und darunter vielleicht gerade mal eine Züchterin und zwei Künstler*innen die zusammen mit Tauben eine Theatercompany gründen und noch die Anne Linke, die sich für taubenfreundliche Architektur im Stadtraum einsetzt. Medienkonferenz des Bundesrates, wir können weiterarbeiten, wann kommt der Lockdown, der Schlaf bleibt weg, Tauben einfangen, wir ziehen für zwei Wochen an die Gessnerallee, in 'die Wurzel der Welt' von Emanuele Coccia lesen, das hilft immer. Er schreibt über Pflanzen und über unser Verschränktsein in der Welt. Durch das Atmen wird die Luft zu dem, was in uns enthalten ist, und umgekehrt, was in uns enthalten war, wird zu dem was uns enthält dank der Pflanzen und die sind immer am gleichen Ort, lass es mich tun wie die Pflanze und ich denke an eine Zeile aus einem Gedicht von Eveline Hasler für ihre kranke Schwester, meine Mutter, sie schrieb: wo dein Körper auch sein mag, verbunden sind wir durch den Atem.