Collectivize Facebook: A Pre-Trial

You worked for it, you own it. Collectivize Facebook.

Mit heute drei Milliarden Nutzer:innen beeinflusst Facebook (im Besitz von Meta Platforms Inc.) unser soziales, wirtschaftliches und politisches Leben in einer noch nie dagewesenen Weise. Als Reaktion darauf haben der Künstler Jonas Staal und der Menschenrechtsanwalt Jan Fermon eine Sammelklage gestartet, welche die rechtliche Anerkennung von Facebook als öffentliches Gut erzwingen möchte. Facebook soll in Zukunft im Besitz und unter der Kontrolle seiner Nutzer:innen sein. Die Klage wird von öffentlichen Vorverfahren, sogenannten «Pre-Trials», begleitet. Nach Pre-Trials in Deutschland, Belgien, Guatemala und den Niederlanden findet das nächste in der Schweiz, in Zürich statt.

Staal und Fermon führen in ihrer Sammelklage an, dass Facebook das Selbstbestimmungsrecht von Völkern und Individuen auf verschiedene Weise verletzt. Das Profitmodell von Facebook basiert auf der Instrumentalisierung der Nutzer:innen als neo-feudale Datenarbeiter:innen. Facebook wird für verschiedene Überwachungsaufgaben genutzt, die die Privatsphäre verletzen und demokratische Wahlen in unverhältnismässiger Weise beeinflussen, wofür die Datenerfassung und die gezielten Kampagnen von Cambridge Analytica ein aktuelles Beispiel sind. Das Unternehmen setzt rassistische Algorithmen ein und berät vorsätzlich autoritäre Regime wie das von Duterte auf den Philippinen.

Während des Pre-Trials stellen Staal und Fermon die Anklageschrift gegen Facebook vor und laden die Öffentlichkeit ein, die Klage, die beim Menschenrechtsrat der Vereinten Nationen in Genf eingereicht wird, mitzuunterzeichnen. Im Anschluss treten Expert:innen in den Zeugenstand, die eine Zukunft von Facebook skizzieren, in der der Prozess gewonnen und Reformen eingeleitet werden konnten: Wie würden die Entscheidungsstrukturen für die fast drei Milliarden Miteigentümer:innen von Facebook aussehen? Wird es Verschlüsselung gewährleisten und Werbung verbieten? Werden wir die Server dezentralisieren oder gar die gesamte Infrastruktur abbauen, wenn man bedenkt, wie stark sie von der Rohstoffindustrie abhängt? 

Die Schweiz und insbesondere Zürich entwickeln sich zu einem der weltweit wichtigsten Standorte für die Tech-Giganten. Für Google ist Zürich bereits der wichtigste Standort ausserhalb der USA und auch Facebook stellt alleine dieses Jahr 150 neue Software-Entwickler:innen und Wissenschaftler:innen ein. Wie kann man sich dieser unkontrollierten Machtkonzentration widersetzen und die Überführung des «Schweizer Silicon Valley» in öffentliches Eigentum sicherstellen?

Collectivize Facebook nutzt den Raum der Kunst für kollektive juristische Aktionen und Spekulationen. Es lädt die Öffentlichkeit ein, sich der Klage anzuschliessen, will aber auch die Vorstellungskraft mobilisieren, wenn es darum geht, Facebook – wie auch andere Billionen-Dollar-Unternehmen – als Gemeineigentum zurückzufordern und zu verwalten.

Mit Beiträgen von: Brandy Butler, Jana Honegger, Jan Fermon, Jonas Staal, Jose Maria Sison, Julia Rone, Paul-Olivier Dehaye, Siva Vaidhyanathan, The Yes Men

Sprache: Englisch

Beteilige dich hier an der Sammelklage gegen Facebook.

Projekteam: Jonas Staal (Künstler); Jan Fermon (Anwalt); Nadine Gouders (Koordination Studio Jonas Staal); Paul Kuipers (Architekt); Remco van Bladel (Designer); Ruben Hamelink (Filmemacher); Hayat Erdoğan & Nikolai Eneas Prawdzic (Dramaturgie Neumarkt)

(Die erste Ausgabe von Collectivize Facebook wurde vom HAU Hebbel am Ufer, Berlin, im Jahr 2020 in Auftrag gegeben)

Mitwirkende:

Jonas Staal ist ein bildender Künstler, dessen Arbeit sich mit der Beziehung zwischen Kunst, Propaganda und Demokratie beschäftigt. Er ist der Gründer der künstlerischen und politischen Organisationen «New World Summit», «Training for the Future» und «Court for Intergenerational Climate Crimes». Im Jahr 2021 koproduzierte das Neumarkt die zweite Ausgabe von Training for the Future. 

Jan Fermon ist ein auf Strafrecht, internationales (humanitäres) Recht und Menschenrechte spezialisierter Rechtsanwalt. Er vertrat Gewerkschafter gegen Versuche, kollektive Aktionen zu kriminalisieren, Opfer des Völkermords in Ruanda und von Kriegsverbrechen, die von US-Truppen während des Irak-Kriegs und der NATO-Bombardierungen in Libyen begangen wurden.

Paul-Olivier Dehaye ist Direktor von PersonalData.IO, einer gemeinnützigen Organisation, die sich darauf konzentriert, Datenrechte individuell einklagbar und kollektiv nutzbar zu machen, und Mitglied des Vorstands von MyData Global. Er hat zur Aufdeckung des Cambridge Analytica-Skandals beigetragen. 

Jana Honegger ist eine Künstlerin und Aktivistin für digitale Rechte. Derzeit arbeitet sie an ADM, Gesichtserkennung und Datenverfolgung/Profiling. In ihrem Beitrag zu Collectivize Facebook arbeitet sie mit Saïd Boulahcen (Sound) zusammen.

Julia Rone ist Postdoktorandin am Minderoo Centre for Technology and Democracy am CRASSH in Cambridge. Ihre aktuelle Forschung konzentriert sich auf die Demokratisierung von Internetrichtlinien.

Jose Maria Sison ist ein philippinischer Schriftsteller und Aktivist und Vertreter der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen. Er kämpft gegen den Einfluss von Facebook auf den Philippinen. 

The Yes Men sind eine Netzkunst- und Aktivistengruppe aus den USA. 

Siva Vaidhyanathan ist ein amerikanischer Kulturhistoriker und Medienwissenschaftler. Er ist Professor für Medienwissenschaft und Recht an der Universität von Virginia. Sein neuestes Buch trägt den Titel «Antisocial Media: How Facebook Disconnects Us And Undermines Democracy».

Brandy Butler ist Performancekünstlerin, Musikerin, Pädagogin, Mutter und Aktivistin und verbringt ihre Zeit damit, kreative Möglichkeiten an der Schnittstelle von Kunst und Gemeinschaft zu schaffen. Seit der Spielzeit 2019/20 ist Brandy Ensemblemitglied am Neumarkt.